Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1910

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1. April 1910

Atterwasch. (Stiftung.) In den Ostertagen hatten unser Kirchspiel und namentlich die hiesige Dorfgemeinde eine besondere Freude. Das Werk der uns von den Geschwistern Bähr-Atterwasch zum Gedächtnis an ihren im Vorjahr entschlafenen greisen Vater gestifteten Turmuhr ist am ersten Feiertag morgens in Gang getreten. Die Uhr hat drei Zifferblätter, je eins nach Osten, Süden und Westen. Die Blätter sind weiß mit schwarzen Zahlen und heben sich so von der roten Turmfarbe treffend ab. Gelegentlich des Gottesdienstes am 1. Osterfeiertag wurde der Familie Bähr für dies hochherzige und praktische Geschenk öffentlich Dank ausgesprochen.


2. April 1910

Heute sind es 50 Jahre her, seitdem einer unserer beliebtesten Aussichtspunkte, Engelmanns Berg, in den Besitz der Familie übergegangen ist. Ein schlichtes Berghäuschen aus Fachwerk, nicht groß, aber doch größer, wie die meisten anderen, die damals die Weinberge zierten, diente dem Besitzer Eduard  Engelmann, der seines Gewerbes Tuchmacher war, mit seinen Kindern als Wohnung. Die Linde, die heute so berühmt geworden ist, ob mit Recht oder Unrecht, soll hier nicht untersucht werden, stand damals schon. In ihrem Schatten saßen die ersten Gäste und tranken ihr Nößel [altes Flüssigkeitsmaß] Gubener, Apfel- oder Rotwein, aßen wohl auch ihr Käsebrot dazu. Engelmann bekam auch das Recht, Kaffee und Bier zu verkaufen, und seine Frau mußte jetzt Plinze backen, und das verstand sie so gut, daß ihre Kunst nun auch auf die Damen ihre Anziehungskraft ausübte. Wegen der schönen Fernsicht mehrte sich der Besuch auf Engelmanns Weinberg – so hieß damals das Lokal – namentlich an Sonn- und Feiertagen, und es stiegen die Einnahmen. Diese kamen zunächst nur wenig der Frau und den zahlreichen Kindern zu gute, denn Engelmann mußte sparen und bauen, um für seine Gäste Raum zu schaffen. 1864 wurde ein größeres, für heutige Verhältnisse freilich nur kleines Haus an der Berglehne gebaut. 1866 wurde das alte Berghäuschen abgerissen und ein Tanzsaal errichtet, 1870 aber schon vergrößert. 1875 erhielt auch das Gasthaus einen Anbau und eine notwendige Erweiterung. Als Engelmann im Jahre 1890 nach 30jähriger Bewirtschaftung seines Lokals starb, war dieses nicht nur für die Gubener Bürgerschaft ein vielbesuchter Erholungsort geworden, sondern auch in den Nachbarstädten bekannt und geschätzt. Er hatte nicht nur eine reiche Kinderschar ernährt und erzogen, sondern auch seinen Betrieb auf eine ansehnliche Höhe gebracht. Sein Sohn Paul übernahm nun die Gastwirtschaft, der sie in den seitdem verflossenen 20 Jahren noch weiter gehoben hat, und der schon in den 90er Jahren den Saal mit dem Hause verband, um Raum für eine große Küche zu schaffen, die für ihn als Koch von Beruf von besonderer Wichtigkeit war. Wenn heute der Fremde auf Engelmanns Berg zu jeder Tageszeit warm, gut und billig speisen kann, so ist das der Kochkunst des jetzigen Wirts zu verdanken.


3. April 1910

Im Rechnungsjahre 1909 (1. April 1909 bis 31. März 1910) sind im hiesigen Schlachthofe geschlachtet und untersucht worden zusammen 2520 Rinder (im Vorjahre 2313), 7586 Kälber (6025), 18352 Schweine (17993), 1258 Schafe (1197), 376 Ziegen (301), 909 Zickel (688), 134 Pferde (111), 129 Hunde (195), insgesamt 31264 Schlachttiere (28823).


8. April 1910

Auf den Eilzug geschossen, der nachmittags 2 Uhr 41 Min. von Sommerfeld hier ankommt, hat gestern zwischen den Übergängen der Gas- und Grünstraße der 13jährige Schulknabe L. aus der Pestalozzistraße. Der Knabe hatte sich eine Pistole mit etwa 10 Ztm. langem Lauf in einem hiesigen Geschäft in der Bahnhofsstraße gekauft und an genannter Stelle Schießversuche gemacht. Die starke Glasscheibe des Coupéfensters wurde zertrümmert, Personen glücklicherweise nicht verletzt. Wäre das Fenster geöffnet gewesen, hätte der Schuß die Insassen des Coupés verletzen können. Da der Knabe strafmündig ist, wird er zur Verantwortung gezogen und wahrscheinlich bestraft werden. – Es scheint hiernach dringend geboten, daß man den Verkauf von Schußwaffen an Kinder gesetzlich verbietet, wie auch die Abgabe bzw. Verkauf von Gift an Kinder untersagt.


10. April 1910


13. April 1910

Die Katzen lieben es, namentlich im Frühjahr zur Brütezeit, statt auf die Mäusejagd zu gehen, den Vögeln nachzustellen, und mancher Gartenbesitzer hat in seinem berechtigten  Ingrimm fremde Katzen, die sich in sein Besitztum geschlichen haben, um die auf den Nestern sitzenden Vögel zu überfallen, einfach niedergeknallt. Sie seien darauf aufmerksam gemacht, daß sie mit dem Töten fremder Katzen über ihr Recht hinausgehen. Durch den Notwehr-Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 228) hat der Gartenbesitzer allerdings das Recht, eine seinem Eigentum bedrohende Gefahr durch Selbsthülfe abzuwenden. Aber im § 230 wird dieses Recht wesentlich eingeschränkt. Die Selbsthülfe darf nicht weitergehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Handelt es sich nun um Vögel, die in dem Garten bauten und die vor den Katzen geschützt werden sollten, so fehlt obendrein hier der Eigentumsbegriff, denn die freilebenden Vögel gehören dem Gartenbesitzer nicht. Die scheinbar so einfache Rechtslage wird also verwickelt, und solch Katzenprozeß wird zu ungunsten des Katzentöters entschieden werden müssen. Auch das Anlocken von Katzen aus weiter Ferne mittelst Baldrianfallen usw. bedeutet eine Verletzung des Eigentumsbegriffs, die durch Notwehr nicht als erfordert angesehen werden kann. -  Man wird daher andere Mittel anwenden müssen, um die Vögel vor diesen gefährlichen Räubern zu schützen. Als ein solches Mittel wird den Katzenbesitzern empfohlen, der Katze eine Klingel um den Hals zu hängen. Da diese Katze aber bekanntlich sehr vorsichtig ihr Opfer beschleicht, wähle man eine Schelle, die bei der leisesten Berührung anschlägt. Als ein weiteres Mittel wird empfohlen, der Katze einen nicht zu kurzen Knüttel waagerecht um den Hals zu hängen. Das Stück Holz verhindert oder erschwert mindestens sehr die Ausübung ihrer Raubgelüste. Alle Katzenbesitzer seinen ferner dringlich ermahnt, namentlich zur Brütezeit der Vögel darauf zu achten, daß ihre Katzen nicht überall frei umher streifen, sondern im Hause bleiben. Katzen, die den ganzen Tag auf Vögel Jagd machen, richten großen Schaden an, und mancher Gartenbesitzer, der die in seinem Grundstücke nistenden Vögel für nützliche, die ihnen nachstellenden Katzen aber für schädliche Tiere hält, wird sich trotz aller Gesetzesparagraphen nicht bedenken, die vierfüßigen Räuber mit allen Mitteln für immer unschädlich zu machen


19. April 1910


23. April 1910


26. April 1910

Der erste Baumblütensonntag brachte gestern schon recht zahlreiche Gäste aus den benachbarten Orten. Die Berggassen zeigten einen lebhaften Verkehr, auch in den Berglokalen herrschte reges Leben; trotzdem das Wetter relativ kühl und das Sitzen im Freien nicht gerade angenehm war, waren die Restaurationsgärten gut besetzt. Unsere Berge stehen jetzt in ihrem herrlichen Blütenschmuck und in dieser Woche dürfte sich die Blüte in ihrer ganzen Schönheit voll entwickeln, so daß die Teilnehmer an den Extrazügen, die nächsten Sonntag aus Berlin und einigen benachbarten Orten hier eintreffen, den reizvollen Schmuck unserer Berge noch voll genießen können. Bei günstigem Wetter ist gleich dem Vorjahre am nächsten Sonntag großer Verkehr zu erwarten. Man beabsichtigt die Gäste in gleicher Weise wie im Vorjahre zu gruppieren und unter ortskundiger Führung durch die schönsten Punkte zu geleiten. Der Empfang wird sich voraussichtlich wieder im Garten des Hotels Kronprinz abspielen.