1910
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember6. November 1910
Vom Wetter. Die abgelaufene Woche hat uns mit dem Novemberbeginn einen völligen Umschwung der Wetterlage gebracht, durch den nunmehr der Witterungscharakter in ganz Mitteleuropa winterlich geworden ist, wenngleich Fröste stärkerer Art bisher in Begleitung von Schneefällen nur in den höheren Gebirgslagen eingetreten sind. Übrigens ist es bei der derzeitigen Gestaltung der Luftdruckverhältnisse keineswegs ausgeschlossen, daß sich schon in Kürze auch in der Ebene Winterkälte einstellt. Hat doch auch in den beiden letzten Jahren der November schon frühzeitig winterliche Physiognomie gezeigt. Indessen läßt sich im gegenwärtigen Moment noch nicht übersehen, ob etwa weitere tiefe ozeanische Wirbel in der Annäherung begriffen sind. Es hat das aber ziemlich viel Wahrscheinlichkeit für sich, und die Witterung dürfte infolgedessen wahrscheinlich weiterhin sehr veränderlich, trübe und niederschlagsreich bleiben.
9. November 1910
Eisenbahnunterführungen beim hiesigen Bahnhof. Gestern nachmittag fand durch eine städtische Deputation eine Lokalbesichtigung über die von uns schon wiederholt und eingehend erörterte Anlage einer Fußgängerunterführung von der Kupferhammerstraße nach dem Bahnhofe im Anschluß an die daselbst bereits bestehende Unterführung statt. Durch eine solche Unterführung würde für die zahlreichen Bewohner der Kupferhammerstraße und der dahinter belegenen ländlichen Ortschaften eine wesentliche Abkürzung des Weges zum Bahnhof erreicht werden. Hoffentlich nimmt die Ausführung des Planes für den vor einiger Zeit von Interessenten namhafte Beiträge gezeichnet worden sind, nicht mehr allzulange Zeit in Anspruch. Außerdem plant bekanntlich der Landkreis Guben hinter dem Kupferhammer nach Grunewald zu eine Wegeunterführung durch den Eisenbahnkörper. Sie soll in der Nähe der Köhlerschen Pappfabrik in die Uferstraße münden und die aus Grunewald und den nördlich hiervon belegenen Ortschaften kommenden, nicht selten mit schweren Lasten beladenen Fuhrwerke, die zum Bahnhof wollen und jetzt häufig die gefahrvollen Eisenbahnübergänge beim Kupferhammer benutzen, schneller und bequemer zum Bahnhof und in die innere Stadt führen. Die Unterführung würde den – namentlich an Markttagen äußerst - lebhaften Wagenverkehr in der Kupferhammerstraße erheblich entlasten.
Der heutige Viehmarkt verzeichnete einen Auftrieb von 665 Pferden und 601 Rindern, wofür 253,20 M. Standgeld vereinnahmt wurden. Die Einnahme an Budenstandgeld betrug 210 M.
12. November 1910
13. November 1910
Erasmus Vogel. Wir leben in einer Zeit der Säkularfeiern, und wie am 7. d. Mts. ganz Norddeutschland den 100. Geburtstag Fritz Reuters feierte, so ist der 14. November ein Gedenktag für unsere Stadt. An ihm wurde vor 100 Jahren geboren der erste Rektor unserer Volksschulen, Erasmus Vogel, der verdienstvolle Organisator unseres Volksschul- und Mädchenschulwesens. Zu Eisleben geboren, hatte er in Halle Theologie studiert und hier dem idealen Zuge seines Wesens folgend, sich der Burschenschaft angeschlossen [Vormärz], ohne aber besonders hervorzutreten. Es ging ihm wie seinem Altersgenossen Fr. Reuter. Obwohl er die Universität verlassen und die erste theologische Prüfung abgelegt hatte, wurde er noch nachträglich zur Verantwortung gezogen, weil die Königl. Untersuchungs-Kommission auch seinen Namen in den Listen gefunden hatte. Nach langer Untersuchungshaft in der Hausvogtei in Berlin zu mehrjähriger Gefängnisstrafe verurteilt, wurde er schließlich zu einem halben Jahre Haft begnadigt, die er auf dem Johanniterschlosse in Sonnenburg abbüßte. Die Strafe selbst war ja nicht hoch, aber seine Existenz war vernichtet, denn wo durfte er hoffen, eine Predigerstelle zu bekommen? So benützte er die Zeit, die er nachher im Hause des Strafanstaltsdirektors Burchard zubrachte und dessen Kinder er unterrichtete (nachmals hat er auch dessen Schwester geheiratet), um sich zu einem Schulamte vorzubereiten. Nach bestandener Rektoratsprüfung wählte ihn der Magistrat zu Guben 1840 zum Rektor der neu eingerichteten Stadtschule, die unter Aufhebung der Winkelschulen vor den Toren, ein einheitliches Schulsystem darstellte und untergebracht wurde in den Räumen, die heute noch Schule I überwiesen sind. Mit Eifer machte sich der neue Rektor (mit dem fürstlichen Gehalt von 1140 M) an den Aufbau der Schule und traf Einrichtungen, wie sie jetzt als allerneuste Weisheit empfohlen werden (Vereinigung der Schüler, welche befähigter erschienen, zu einer besonderen Vorbereitungsklasse für das Gymnasium, Absonderung der schwächeren Elemente auf der Oberstufe zu sogenannten B-Klassen und Abzweigung von 2 – 3 Selektaklassen für die Mädchen). Da sie nicht in das hergebrachte Schema paßten, sind diese Einrichtungen nachmals wieder aufgehoben bezw. wegen Erweiterung der Klassen abgelöst worden. Im Jahre 1851 beschlossen dann die städtischen Behörden die Einrichtung einer Mittelschule, an deren Spitze auch Vogel trat. Der Schule, welche anfangs nur zwei lebende Sprachen treiben sollte, wurde von der Aufsichtsbehörde das Latein aufgenötigt. Die schwierige Aufgabe, mit schlecht bezahlten und darum stets wechselnden Lehrern und einem in den oberen Klassen sich stets vermindernden Schülermaterial dennoch etwas zu leisten, hat der Rektor V. während 12 Jahren gelöst. Hervorgehoben muß werden, daß von ihm wohl zum ersten Male der Grundsatz, auf dem unsere Reformschulen sich gründen, d. h. Anfang des fremdsprachlichen Unterrichts nicht mit Latein, sondern Französisch – hier zur Durchführung gelangte… Wie segensreich er dort gewirkt hat und welche Liebe seine ehemaligen Schülerinnen ihm entgegenbrachten, ist ja bei der Jubelfeier dieser Schule hervorgehoben worden. Seine fesselnde Persönlichkeit und der Idealismus, der ihn beseelte, machten ihn für diesen Posten besonders geeignet, aber auch seine Schüler verehrten ihn als tüchtigen Lehrer und wahrheitsgetreuen Charakter…. [In der Ausgabe des Folgetages wird die Laudatio fortgeführt.]
15. November 1910
23. November 1910
25. November 1910
Fabrikerweiterungsbau. Die Berlin-Gubener Hutfabrik Aktiengesellschaft Abteilung Berthold Lißner erweitert ihre Fabrikbauten um einen Neubau von 45 m Länge und vier Stock Höhe. Mit dem Neubau der Einfamilienhäuser ist auf dem Fabrikgrundstück ebenfalls begonnen worden.