1910
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember2. Oktober 1910
Das Volksbad – Wilhelm Auguste Viktoria Bad – das aus einer anläßlich der Silberhochzeit des deutschen Kaiserpaares seitens der Stadt gemachten Stiftung und aus weiteren in hochherziger und nachahmenswerter Weise gespendeten privaten Mitteln erbaut wurde, ist nunmehr gänzlich fertiggestellt und soll am Montag in Betrieb genommen werden. Dieser Umstand veranlaßte uns, die gesamte Bauanlage noch vor der Inbetriebnahme einer Besichtigung zu unterziehen. Wir müssen gestehen, daß der Bau, den Herr Bauinspektor Römmler leitete, nunmehr wohl als eine Zierde des Getreidemarktes bezeichnet werden kann und zur Hebung seiner Umgebung beitragen wird. Auch die ursprünglichen Gegner, die das Bad an der jetzigen Stelle nicht wissen wollten, werden sich dieser Ansicht nicht mehr verschließen können…. [Es folgt eine detaillierte Beschreibung des Volksbades.]
Das frühere Metropoltheater an der Neißebrücke wurde heute nach vollständiger Renovierung unter neuer Direktion und unter dem Namen „American Theater“ wieder eröffnet. Das Lokal ist mit den neuesten technischen Einrichtungen ausgestattet, die Bilder sind, wie uns mitgeteilt wird, vollständig flimmerfrei. Als besondere Neueinrichtungen sind u.a. die silberne Wand, das Menthrophon und der Nietzsche-Apparat hervorzuheben; letzterer schließt das störende Zittern der Bilder vollständig aus. Vor allen Dingen sieht die neue Direktion auf nur einwandfreie und dezente Bilder. Ein tüchtiger Pianist führt den musikalischen Teil aus.
5. Oktober 1910
Im Monat September sind im hiesigen Schlachthofe geschlachtet und untersucht worden: 26 Bullen, 10 Ochsen, 95 Kühe, 90 Jungrinder, zusammen 221 Rinder (im Vorjahre 236), 457 Kälber (632), 1405 Schweine (1557), 126 Schafe (94), 39 Ziegen (13), - Zickel (5), 6 Pferde (6), 4 Hunde (7), insgesamt 2357 Schlachttiere (2550)…
8. Oktober 1910
11. Oktober 1910
Im Stadtmuseum befindet sich seit kurzem unter den Neuerwerbungen ein großer Glaspokal mit Malereien, ein Geschenk des Bergbesitzers Herrn Paul Wallis. Die fünf mit Oelfarben aufgetragenen Bildchen versetzen in d. J. 1854, in welchem für die Straßenlaternen an Stelle der Rübölbeleuchtung die mittelst Photogene eingeführt und als eine große Neuerung empfunden wurde. Von Interesse ist die Darstellung des Rathauses mit den breiten, gewölbten Fenstern im Erdgeschoß, ferner die unter Aufsicht der Polizeidiener vorgenommene Anbringung und Erprobung der neuen Laternen am Eingange der Kurzen Straße, auch die Abbildung des Eingangs der Salzmarktstraße mit jetzt verschwundenen Giebelhäusern. Der Deckel des Pokals trägt den Namen der Freunde, welche s. Z. dem Klempnermeister, der das Wagstück einer so feuergefährlich erscheinenden Beleuchtung vollführt hatte das Geschenk zum Andenken gestiftet. – Als eine andere Neuerwerbung des Museums ist eine reichhaltige Schenkung interessanter Jagdgeräte des 18. Jahrhunderts ausgestellt.
13. Oktober 1910
Die lang gewünschte Bedürfnisanstalt am Buttermarkt ist nunmehr fertiggestellt. Sie hat die Form eines Pavillons und nimmt sich mit ihrem roten Ziegeldach und ihren grünen Fensterladen recht schmuck aus. Der Innenraum ist unter guter Ausnutzung des Raumes in gesonderte Appartements für Frauen und Männer eingeteilt. Die Anstalt wird eine Wärterin erhalten.
15. Oktober 1910
Eisenbahnunglück bei Wellmitz.
Ein schweres Eisenbahnunglück, hervorgerufen durch den Zusammenstoß zweier Güterzüge, ereignete sich in letzter Nacht bei Wellmitz. Die uns hierüber zugegangene amtliche Meldung, die wir heute morgen durch Extrablatt verbreiteten, lautet: Vergangene Nacht 1 Uhr überfuhr in Wellmitz der Eilgüterzug 6055 das Hauptsignal und fuhr auf den Güterzug 7793 auf. Der Hilfsbremser Bresinsky aus Tzschetzschnow ist tot. Lokomotivführer Simon, Heizer Rudolph aus Berlin und Packmeister Kitzler aus Breslau sind schwer verletzt. Die Lokomotive und 12 Wagen sind zertrümmert. Der Betrieb ist auf beiden Gleisen auf 8 Stunden gesperrt. Der Personenverkehr wird durch Umsteigen aufrecht erhalten. Ein Mitarbeiter an unserer Zeitung, der sich heute morgen an die Unfallstelle begab, berichtete folgende Einzelheiten: Gleich nach Bekanntwerden des Unglücks wurden Hilfszüge aus Guben und Frankfurt a.O. mit Mannschaften entsandt. Er erste Hilfszug aus Guben traf gegen 2 Uhr, ein zweiter Hilfszug aus Frankfurt a.O. gegen 2 ½ an der Unfallstelle ein. Mit einem dritten Hilfszug, der nach 2 Uhr aus Guben abgelassen wurde, erschien Herr Sanitätsrat Dr. Funck an der Unfallstelle. Weitere Aerzte waren nach Mitteilungen eines Eisenbahnbeamten in der Nacht nicht aufzutreiben. Inzwischen langte auch die Feuerwehr und mit ihr der Bahnarzt Herr Dr. Rommel aus Neuzelle ein.
Da ein Eingreifen der Feuerwehr nicht erforderlich war, rückte sie wieder ab. Die Unfallstelle liegt direkt an der Volkholzschen Stärkefabrik; sie bietet ein Bild wüster Zerstörung. Nach den Ermittlungen fuhr der Eilgüterzug 6055 auf den rangierenden Güterzug 7739 mit großer Heftigkeit auf und schob vier Güterwagen derart ineinander, daß das Ganze nur noch ein chaotischer Haufen ist. Der Lokomotivführer des Zuges 7739 soll den Zusammenstoß vorausgesehen und mit Volldampf vor dem einfahrenden Eilzug geflüchtet sein. (Der Bericht wird am 16. Oktober 1910 fortgeführt.)